Gefährdung

Auf dieser Seite u. a.:

Gefährdung von Reptilien


Eine gefährdete Art von vielen:
Die Cupcake-Snake.
Foto: Rob Ward

Cupcake-Snakes © Rob Ward

Ursachen des Rückgangs

Reptilien werden erschlagen,  von natürlichen Feinden gefressen und überfahren (auch auf Radwegen). Ursache für ihren rapiden Rückgang ist die weitreichende und anhaltende Vernichtung und Zerschneidung  ihrer Lebensräume. Da sie gewisse - aber eigentlich nicht hohe - Ansprüche an ihre Wohngebiete stellen und nur geringe Distanzen überwinden können, bedeutet ein Verlust von Lebensräumen (z. B. durch Überbauung, Änderung der Bewirtschaftung oder nicht angepasste Pflege) allzu oft den Verlust der dort zuvor lebenden Populationen. Auch eine Schädigung oder Abriegelung von Teillebensräumen (z. B. durch Lärmschutzwände) kann Bestände nachhaltig schwächen oder ganz zum Erlöschen bringen.

Dies gilt umso mehr, als dass Reptilien oftmals die letzten bewohnbaren Inseln in einer für sie lebensfeindlichen Landschaft besiedeln. Durch die Isolation können neu entstehende Lebensräume oft nicht erreicht werden, auch der natürliche Austausch von Individuen verschiedener Populationen wird so unterbunden. Zudem werden verschiedene Teilhabitate durch Straßen etc. getrennt und die Tiere riskieren sozusagen beim Wechsel vom Schlafzimmer in die Küche regelmäßig ihr Leben.

Dieses Problem der Trennung von Teilhabitaten betrifft vor allem Schlangen, die typischerweise größere Räume beanspruchen und Biotopkomplexe (z. B. aus Wald, Teich und Wiese) bewohnen. Insbesondere Schlangen nutzen so genannte Schlüsselhabitate wie Winterquartiere und Paarungsplätze in großen Stückzahlen und oft über Generationen hinweg.

Entsprechend gravierend sind die Folgen bei deren Verlust; so kann mit einem Winterquartier von wenigen Quadratmetern möglicherweise der Schlangenbestand eines etliche Hektar großen Gebiets gefährdet werden.

Da Eidechsen oft nur relativ schmale Raine oder letzte Lebensraum-Inseln bewohnen, wird bei ihnen nicht selten der ganze (Kern-) Bestand ausgelöscht.

Lebensräume gehen nicht nur durch Bebauung verloren, sondern auch durch Aufforstungen oder Änderungen der Bewirtschaftung. Ein Problem für viele Arten sind auch vermeintlich Aufwertungen von "Ödland", Straßenraine usw.: So werden z. B. Restlebensräume (gerade auch von Insekten) vernichtet, damit sich Menschen an kurzzeitiger Blütenpracht erfreuen können. 


Durch Aufforstungen vernichtete Lebensräume im Wald

Aufforstungen statt riesiger Lichtungen. Die Waldlichtungen und damit die flächenhaften Lebensräume sind schon vernichtet. Mit weiterem Wachstum der Bäume bzw. zunehmender Beschattung verschwanden nachfolgend auch die letzten Eidechsen und Schlangen von den noch vorhandenen Säumen (bzw. aus diesem Wald).
Foto: Ina Bla
nke




(Innere) Waldsäume verschwinden auch durch den Wegebau, der zusätzliche Barrieren schafft. Hinzu kommt die zunehmende Verdunklung der Waldböden durch Unterpflanzungen von Schattholzarten (z. B. Buchen in lichten Kiefernwäldern).

Sommergetreide und Hackfrüchte wie Kartoffeln und Rüben sind mittlerweile lokal fast verschwunden - und damit typische Jagdgebiete in den Randbereichen dieser Kulturen. Brachen im Offenland und Waldlichtungen fehlen in vielen Landschaften ohnehin schon länger.
Aufgrund einseitiger finanzieller Förderung werden Schutzgebiete mehr und mehr beweidet, frühere vielfältige Pflege wird dadurch abgelöst. Dies ist für beweidungsempfindliche Arten wie Reptilien ein großes Problem – zu einer Zeit, wo sie eigentlich mehr denn je auf Schutzgebiete angewiesen wären.
Daher werden die Randbereiche von Verkehrswegen immer wichtiger. Umso fataler ist dann deren Ausbau oder Instandsetzung. Durch ungeeignete "Schutz"maßnahmen wird dies teilweise noch verschlimmert, auch vermeintliche Aufwertungen durch Blühmischungen tragen zum Schwund dieser Refugien bei.


Beweideter Magerrasen mit Gehölzriegel

Ehemaliger Zauneidechsen-Hotspot.
Beweideter Kalkmagerrasen in Niedersachsen, auch mit stark erhöhten Aufwand heute ohne Nachweise.
Foto: Ina Blanke



Vielen Menschen sind die Schutzwürdigkeit und die Harmlosigkeit von Reptilien bekannt. Gleichwohl fallen noch immer Schlangen und auch Blindschleichen gezielter Verfolgung bzw. Schlangenfurcht und -hass zum Opfer. Schon der Verlust einzelner Individuen kann kleine Bestände nachhaltig schwächen bzw. gefährden. Dies gilt insbesondere dann, wenn es geschlechtsreife Weibchen trifft.

Zumindest einige Zerstörungen von Reptilienhabitaten würden vermutlich unterbleiben, wenn die Vorkommen bekannt wären. Dummerweise verraten Echsen und Schlangen ihre Anwesenheit nicht durch auffälliges Verhalten und lärmende Umtriebe. Für sie sind Strukturen, nicht aber die Anwesenheit gefährdeter Pflanzenarten entscheidend. Fatalerweise werden bestimmte Gräser, die Reptilien besonders gute Strukturen bieten, in der Landschaftspflege oft gezielt bekämpft. Um diesen Zielkonflikt bekannter zu machen, gibt es hier
meine Seite zu "Reptiliengräsern" .


Das Fehlen von schutzwürdiger Vegetation oder von seltenen Biotoptypen ist daher kein Indiz für die Abwesenheit von Reptilien.  Aber auch bei gezielter Nachsuche werden diese aufgrund der kurzen Aktivitätszeiten und ihrer perfekten Tarnung meist nur dann gefunden, wenn die Suchenden ganz genau wissen, wann und wo sie schauen müssen. Entsprechend häufig werden daher selbst bedeutende Reptilienbestände im Vorfeld von Eingriffen übersehen.

Kartieranleitungen und Bewertungsschemata sollten hier eigentlich Hilfestellung bieten. Doch diese empfehlen oft Witterungsbedingungen, bei denen die Sichtungschancen besonders gering sind. So sind Nattern auffällig häufig bei Regen zu finden - trotzdem steht in fast jeder Vorgabe "nicht bei Regen". Auch sind die empfohlen Temperaturen meist deutlich zu hoch (und Reptilien dann in der Vegetation verborgen oder gar im Hitzeschlaf). 

Durch dieses Übersehen fallen dann der Umbruch von Säumen und Grünland, die Bekämpfung unerwünschter Pflanzenarten, Gewässerbegradigungen, der Bau von Wochenendhäuschen und Radwegen sowie die Aufforstung von Äckern an und in Wäldern etc. noch leichter. Entsprechend wundert es nicht, dass selbst die vermeintlich noch häufigen Reptilienarten mittlerweile auf den Roten Listen zu finden sind.


Braune Schlange in braunem Gras.

Offen liegende Schlingnatter - so gut sind die Tiere insbesondere bei leichtem Regen zu sehen.
Foto: Ina Blanke


Rote Listen



Rote Listen kategorisieren den Gefährdungsgrad von Arten und Lebensräumen in einem bestimmten Raum und zeitlichen Rahmen. Reptilien stellen die am stärksten gefährdete Wirbeltiergruppe in Deutschland dar (vgl.  https://www.bfn.de/fileadmin/_processed_/csm_Auswertung_Abb2_716bb99068.jpg).   Dieser hohe Gefährdungsgrad zeigt sich auch in der aktuellen Roten Liste (ROTE-LISTE-GREMIUM AMPHIBIEN UND REPTILIEN 2020): Bundesweit gilt von insgesamt 13 heimischen Reptilienarten(komplexen) nur die Westliche Blindschleiche ( Anguis fragilis) als nicht gefährdet, 3 weitere werden auf der Vorwarnliste geführt (Waldeidechse  Zootoca vivipara, Zauneidechse Lacerta agilis und Mauereidechse Podarcis muralis ).

Hingegen gelten 4 Arten als vom Aussterben bedroht (Europäische Sumpfschildkröte Emys orbicularis , Östliche Smaragdeidechse Lacerta viridis , Würfelnatter Natrix tessellata und Aspisviper Vipera aspis ).

Aufgrund der Bestandstrends und der aktuellen Situation müsste auch die Kreuzotter als vom Aussterben bedroht eingestuft werden; da es aber stabile Teilbestände gibt, verbleibt sie in der Kategorie stark gefährdet. Neben der Kreuzotter (als Sonderfall, s. o.) gelten auch Äskulapnatter (Zamenis longissimus) und Westliche Smaragdeidechse (Lacerta bilineata ) als stark gefährdet. Als gefährdet sind Schlingnatter( Coronella austriaca ) und Ringelnatter (Natrix [Superspezies natrix]) eingestuft.

Informationen zur Gefährdung in den Bundesländern und im benachbarten Ausland sind zu finden unter http://www.amphibienschutz.de/schutz/artenschutz/roteliste.htm


Echter Reptilienschutz – braucht Zeit und ist häufig zu billig


Im Reptilienschutz gibt es zwei große Probleme: Die benötigten Strukturen (z. B. Altgrasfilze und Gangsysteme von Kleinsäugern) und die Populationen ihrer Beutetiere benötigen Entwicklungszeiten von etlichen Jahren bis Jahrzehnten.

Da sehr viele Projekte, die Reptilien gefährden (und andere Bauprojekte in Deutschland lange Vorläufe haben, sollte das oftmals kein Problem sein. Zudem wird vielfach behauptet, gefährdete Arten wären "plötzlich" (selbst in Lebensräumen, die wahrscheinlich schon seit ein paar hundert Jahren besiedelt sind) aufgetaucht und würden Bauprojekte nun verzögern.

Mit solchen Schuldzuweisungen an Tiere werden typischerweise Planungsfehler kaschiert, bei denen erwartbare oder bekannte Vorkommen nicht berücksichtigt wurden – oder auf mögliche Eingriffsvermeidungen und/oder auf die Prüfung von Alternativen und der Zulässigkeit der Projekte verzichtet wurde.


Schonende Alternativen sind aber in Niedersachsen sehr häufig gegeben – denn hier sind die vermeintlichen „Baustopper“ wie Zauneidechsen nur sehr lückig verbreitet, auch die einst häufigen Arten sind vielfach aus den Landschaften verschwunden.

Durch relativ kleine Änderungen der Planungen können Beeinträchtigungen daher oft gut vermieden werden.

Doch das wird häufig nicht einmal versucht – obwohl eine wesentliche Bestimmung im Naturschutzrecht genau das verlangt: „Der Verursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen“ (§ 15 [1] BNatSchG).

Von solchen Verzichten bzw. dem Erhalt der Lebensräume würden nicht nur die Reptilien profitieren, sondern ihre gesamte Lebensgemeinschaften.

Klassiker im Planungsalltag sind dabei Reduzierungen des Flächenverbrauchs, andere Positionierung von Parkplätzen und andere Anordnungen der geplanten Elemente (Hallen, Parkplätze, Rückhaltebecken) zur Vermeidung von Schattenwurf.

In frühen Planungsstadien ist all das oft gut möglich. Auch bei tödlichen Fallen (z. B. in Entwässerungsanlagen) ist deren Vermeidung besser als ihre Entschärfung.

Strukturreiche Krautschicht zwischen offenem Sand und Gehölz

Erhaltung durch geänderte Planungen bzw. "Verriesigung eines Lebensraums.

Eine isolierte Population von Zauneidechsen konnte durch Änderungen der Planungen vor Ort bleiben - zudem wurde der ursprüngliche Lebensraum (Gehölze, Raine und ein kleiner Bodenabbau) stark vergrößert. Mit dem Fortschreiten (der absichtlich gestaffelten) Vegetationsentwicklung rücken die Echsen immer weiter vor.
Die offensandigen Bereiche werden dagegen wie gewünscht zunächst von Pionierarten besiedelt.


Foto: Ina Blanke

Doch Vermeidung durch Planung wird kaum gemacht. Grund hierfür dürfte einerseits sein, dass dies insbesondere Fachwissen, Nachdenken und Kommunikation erfordert - und solche Änderungen vor allem in frühen Planungsstadien möglich sind.

Entsprechende Vorschläge sind oft unerwünscht. Sie bzw. der Aufwand dafür werden i. d. R. nicht bezahlt (trotz u. U. hoher Einsparungen, die so erzielt werden könnten) - manche Auftraggeber wollen sogar vereinbarte Honorare einbehalten, wenn missliebige Aussagen gemacht werden.

Zudem sind Eingriffsvermeidungen und/oder Einsparungen in der Regel für die Fachgutachter selbst und ihre Branche finanziell nachteilig: Denn echte Eingriffsvermeidung verringert die nötigen Kompensationsmaßnahmen, die Höhe der Planungskosten bestimmt aber typischerweise die Höhe der Honorare (bzw. die sog. Honorarzone).

Aber auch bei Abrechnung nach Aufwand lohnt sich echte Vermeidung kaum bzw. ist finanziell nachteilig - denn Vorbeugen geht viel, viel schneller als Reparieren.

Vermeintliche Schutzmaßnahmen (die Eingriffe zudem erst ermöglichen) gelten mittlerweile als wesentlicher Grund für den bundesweit starken Rückgang der Zauneidechse (https://www.rote-liste-zentrum.de/files/NaBiV_170_3_1_RL_Reptilien_2020_20210317-1609.pdf).

Oftmals handelt es sich bei ihnen um Bausteine, die ergänzend (!) zu weitest gehender (!) Eingriffsvermeidung sinnvoll sein können. Sehr häufig werden sie stattdessen zum Nachteil von Reptilien und anderen Arten eingesetzt (in späteren Auflagen wird das thematisiert).

Hinzu kommen Habitatverluste durch andere Kompensationsmaßnahmen wie Aufforstungen oder solche zur Schaffung hochwertiger Vegetation statt der für Reptilien typischen Vegetation, vgl. z. B. reptilien-brauchen-freunde.de/reptiliengraeser-und-mehr


Exkurs -  Blühmischungen und nutzlose Hotels

Das etwas ständig gemacht wird, bedeutet nicht, dass es gut ist. Manchmal ist es nicht einmal gut gemeint (z. B. illegale Müllentsorgung sowie PR- oder Marketingtricks).

Typische Beispiele sind vermeintliche Wildblumenmischungen ohne Deklaration der Inhalte. Sie können irgendwelche Saatgut-Reste und unter Umständen sogar "insektenfeindliche Mischungen" enthalten.

Auf Äckern und in Gärten fallen dabei regelmäßig besonders schön blühende Arten auf, die konkurrenzstärker als heimische Pflanzen sind. Nicht nur die so u. U. verdrängten Pflanzen, sondern insbesondere auch für auf bestimmte Pflanzenarten angewiesene Insekten können so weiter gefährdet werden.

Viele Mischungen brauchen zudem eine regelmäßige Neueinsaat und vorherige Bodenbearbeitung, auch das gefährdet Arten mit längeren Entwicklungszeiten. Um vielen Tieren zumindest etwas zu helfen ( - würden Samentütchen reichen, wäre es keine Insektenkrise .... -),  braucht es unter anderem auch ausdauernde (nicht nur ein- oder zweijährige) Pflanzenarten, verschiedenden Blütenfarben, Blüten über möglichst lange Zeit und vieles mehr - wichtig ist auch, dass sowohl im Sommer als auch im Winter ein Teil der Pflanzen stehen bleiben darf.

Regional angepasst sind  z. B. die Mischungen vom Insektenbündnis Hannover, dieses gibt auch Hinweise zur Pflege. Entsprechende Inititativen gibt es in etlichen Städten und Regionen, das Saatgut wird dabei oft kostenlos abgegeben. Hintergründe finden sich z. B. hier Insektenschutz im öffentlichen Grün (Link zum BUND).

Bei deklariertem Saatgut mit klaren Herkunfts- und Inhaltsangaben weiß man immerhin, was man aussäht. Dieses ist zum Beispiel in Bioläden und manchen Gartencentern erhältlich.


Oft schlecht gemacht und daher nutzlos bis schädlich sind auch sog. Insektenhotels. Das gilt nicht nur für die typische Baumarkt-Deko, sondern auch für die aufwendig und eigens gebauten Hotels. Hintergründe hierzu z. B. hier https://www.bund-niedersachsen.de/service/publikationen/detail/publication/gefaehrdete-wildbienen-nisthilfen-bauen-und-lebensraeume-schaffen-7-auflage/ sowie hier  https://www.nabu-weserbergland.de/naturschutztipps/insekten/insektenhotels/ oder hier https://www.wildbienen.info/artenschutz/untaugliche_nisthilfen_A.php.

Zugig  und mit "Flügelabreißer-Bohrlöchern" sowie vielen nutzlosen Elementen - sogenanntes Insektenhotel.

Dieses hier ist zudem in die Haupt-Windrichtung statt nach Süden ausgerichtet. Foto: Ina Blanke

Natürliche Brutwand an einem Waldrand

Natürliche Insektenbrutwand an einem Waldrand.
Foto: Ina Blanke


Reptilien-Schutzmaßnahmen, die oft keine sind

Vermeintliche "Schutzmaßnahmen" die Eingriffe möglich machen sollen oder sogar anstelle wirksamer Maßnahmen durchgeführt werden, sind das Absammeln/Abfangen (Umsiedlungen) und das Aufstellen von sog. „Reptilienschutzzäunen“ bzw. Reptilienzäunen. Beide Maßnahmen sind für Planer und Umweltbaubegleiter lukrativ - und für Tiere nicht selten fatal.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hielt sie 2011 im sogenannten Freiberg-Urteil für +/- wichtig für den Schutz von Zauneidechsen. Dabei lagen verständliche Annahmen des Gereichts zugrunde - die aber leider aufgrund der "eigenartigen" Biologie der Zauneidechse so nicht zutreffen. Was in Fachkreisen "eigentlich" (z. B. durch Publikationen und eigene Beobachtungen) bekannt sein sollte.


Während Abfang und Zäune ständig zum Einsatz kommen, werden die für die Artenschutz extrem wichtigen Teile des Freiberg-Urteils regelmäßig missachtet. Dieses besagt u. a. das trotz  Fang und Umsiedlung Zauneidechsen getötet werden und daher trotzdem eine artenschutzrechtliche Ausnahme notwendig ist.

Diese ist jedoch nur für echte Ausnahmefälle vorgesehen, die rechtlichen Hürden sind sehr hoch. So müssen für artenschutzrechtliche Ausnahmen gemäß § 45 BNatSchG bei streng geschützten Arten (Zauneidechse, Schlinagnatter u. a.) trifftige Gründe (i. d. R. zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses) vorliegen und zumutbare Alternativen fehlen (z. B. andere Trassenführungen), zudem darf sich der Erhaltungszustand nicht verschlechtern und weiterreichende Regelungen der FFH-Richtlinie müssen beachtet werden.

Im Freiberg-Urteil hat das Gericht betont, dass eine Ausnahme nur infrage kommt, wenn zuvor die Eingriffsregelung sauber abgearbeitet wurden, Eingriffe also weitestgehend vermieden und ansonsten bilanziert und kompensiert werden. Das gilt auch für "normale" Arten (nicht streng geschützte Arten) , Biotope usw.

Selbst bei den Zielarten von Umsiedlungen werden fachliche Standards in der Planung i. d. R. nicht beachtet (z. B. Kombination für verschiedener Fangmethoden für unterschiedliche Witterung, lange - möglichst mehrjährige - Fangzeiträume, gut geeignete Zielflächen etc.) -noch fragwürdiger ist dann oft die praktische Umsetzung.


Unter Missachtung von Biologie und Wissenschaft, Rechtsprechung usw. wird so die Ausnahme zum Regelfall.  - In der sog. speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) werden die negativen Folgen (die Verbotseintritte) jedoch oft abgestritten und so die Ausnahmeprüfung ganz vermieden.

Eine typische Behauptung bei Bauprojekten ist dabei, dass durch Umsiedlung und/oder Reptilienzaun die Risiken auf das normale Maß reduziert werden. Obwohl  seit langem bekannt ist, dass sehr viele Umsiedlungen (von Reptilien weltweit und von Zauneidechsen in Deutschland) komplett scheitern und ohnehin sehr viele Tiere im Baufeld zurückbleiben. 


Das passiert nicht zuletzt, weil für die meisten Projekte gar keine Ausnahme erteilt werden dürfte (oder dafür weitreichende Änderungen der Planungen und/oder viel Fläche und Zeit für wirksame Kompensationsmaßnahmen nötig wären) und Anbieter von vermeintlichen Baufeldfreimachungen daher gerne gebucht werden.


Selbst bei Umsiedlungen, die sich über eine gesamte Saison erstreckten bleibt ein hoher Anteil der Reptilien vor Ort. Tage, an denen trotz geeigneter Witterung nichts gefangen wird, sind dabei typisch. Bei seriösen Umsiedlungen wird trotzdem ein Vielfaches der kartierten Bestände gefangen. Durch den Stress, aber häufig auch durch ungeeignete Zielgebiete (z. B. schon durch Artgenossen besetzt oder ohne ausreichende Nahrungsgrundlage und Deckung), ist ist die Sterblichkeit der umgesiedelten Tiere erhöht.

Wenn keine Lebensräume neu geschaffen werden, sondern die Tiere "irgendwo" oder in bestehende Bestände gesetzt werden, wird auch die Gesamtzahl der Lebensräume und Populationen reduziert.

Für die Zauneidechse heißt es daher in der Roten Liste Deutschlands: "Entscheidend für den Erhalt bestehender Populationen und ihrer Lebensräume ist die konsequente Anwendung des geltenden Artenschutzrechtes".

Oben: Zauneidechse an typischen Fundort, der Eingang zum Bau findet sich im Moosmolster nahe der Fahrbahn. Der Waldrand als typisches Jagdgebiet liegt wenig entfernt (Bild unten).


Typische Reptilienzäune trennen solche wichtigen Teilhabitate und entwerten Sonnenplätze. Zudem hindern sie Tiere (Reptilien bei Baumaßmaßnahmen, wandernde Amphibien, Igel usw.) gefährliche Bereiche zu verlassen.


Fotos: Ina Blanke

Straße durch den Wald

Da Steine in weiten Teilen Niedersachsens fehlen oder selten sind, haben auch Steinhaufen den Vorteil, vergleichsweise teuer zu sein.

Verglichen mit dem Angebot im Lebensraum werden sie von unseren Reptilien unterdurchschnittlich genutzt (oder gar gemieden) – auch das ist lange bekannt.

Gerade in den Lebensräumen, in denen Steine entweder ganz fehlen und als seltenes Baugut begehrt waren, sind Steinhaufen als vermeintliche Aufwertung ein guter Indikator für eine fehlende Auseinandersetzung mit den betroffenen Arten und Landschaften.

Sehr häufig kommen alle drei Komponenten Umsiedlung (auch Abfang oder Absammeln genannt) Reptilienzaun und Steinhaufen zusammen zum Einsatz.

Gebrannte Ziegel oder Fachwerk aus Lehm und Holz.

Ganz typisch für weite Teile Niedersachsens.

Ihre Verwendung gerade auch bei Kirchen zeigt typischerweise das Fehlen von hochwertigeren Steinen im Umfeld an.

Foto: Ina Blanke


Verwendete und weiterführende Literatur


BLANKE, I. & H. FEARNLEY (2015): The Sand Lizard – between light and shadow. – Laurenti, Bielefeld.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT (BVerwG 2011): Urteil vom 14.7.2011 - BVerwG 9 A 12.10.


EUROPÄISCHE KOMMISSION (2021): Leitfaden zum strengen Schutz für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie. C (2021) final.


GERMANO, J. M. & P. J. BISHOP (2008): Suitability of Amphibians and Reptiles for Translocation. - Conservation Biology 23 (1): 7-15.


GERMANO, J. M., K. J. FIELD, R. A. GRIFFITHS, S. CLULOW, J. FOSTER, G. HARDING & R. R. SWAISGOOD (2015): Mitigation-driven translocations: are we moving wildlife in the right direction? - Frontiers in Ecology and the Environment 2015; doi:10.1890/140137.


KLUGE, E., I. Blanke, H. Laufer & N. Schneeweiß (2013: Rote Liste und Gesamtartenliste der Reptilien (Reptilia) Deutschlands. - Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (3): 64 S.
https://www.rote-liste-zentrum.de/files/NaBiV_170_3_1_RL_Reptilien_2020_20210317-1609.pdf


ROTE-LISTE-GREMIUM AMPHIBIEN UND REPTILIEN (2020): Rote Liste und Gesamtartenliste der Reptilien (Reptilia) Deutschlands. - Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (3): 64 S.
https://www.rote-liste-zentrum.de/files/NaBiV_170_3_1_RL_Reptilien_2020_20210317-1609.pdf


Weitere Literatur

Share by: