Gefährdung von Reptilien
Eine gefährdete Art von vielen:
Die Cupcake-Snake.
Foto: Rob Ward
Ursachen des Rückgangs
Reptilien werden erschlagen, von natürlichen Feinden gefressen und überfahren (auch auf Radwegen). Ursache für ihren rapiden Rückgang ist die weitreichende und anhaltende Vernichtung und Zerschneidung ihrer Lebensräume. Da sie gewisse - aber eigentlich nicht hohe - Ansprüche an ihre Wohngebiete stellen und nur geringe Distanzen überwinden können, bedeutet ein Verlust von Lebensräumen (z. B. durch Überbauung, Änderung der Bewirtschaftung oder nicht angepasste Pflege) allzu oft den Verlust der dort zuvor lebenden Populationen. Auch eine Schädigung oder Abriegelung von Teillebensräumen (z. B. durch Lärmschutzwände) kann Bestände nachhaltig schwächen oder ganz zum Erlöschen bringen.
Dies gilt umso mehr, als dass Reptilien oftmals die letzten bewohnbaren Inseln in einer für sie lebensfeindlichen Landschaft besiedeln. Durch die Isolation können neu entstehende Lebensräume oft nicht erreicht werden, auch der natürliche Austausch von Individuen verschiedener Populationen wird so unterbunden. Zudem werden verschiedene Teilhabitate durch Straßen etc. getrennt und die Tiere riskieren sozusagen beim Wechsel vom Schlafzimmer in die Küche regelmäßig ihr Leben.
Dieses Problem der Trennung von Teilhabitaten betrifft vor allem Schlangen, die typischerweise größere Räume beanspruchen und Biotopkomplexe (z. B. aus Wald, Teich und Wiese) bewohnen. Insbesondere Schlangen nutzen so genannte Schlüsselhabitate wie Winterquartiere und Paarungsplätze in großen Stückzahlen und oft über Generationen hinweg.
Entsprechend gravierend sind die Folgen bei deren Verlust; so kann mit einem Winterquartier von wenigen Quadratmetern möglicherweise der Schlangenbestand eines etliche Hektar großen Gebiets gefährdet werden.
Da Eidechsen oft nur relativ schmale Raine oder letzte Lebensraum-Inseln bewohnen, wird bei ihnen nicht selten der ganze (Kern-) Bestand ausgelöscht.
Lebensräume gehen nicht nur durch Bebauung verloren, sondern auch durch Aufforstungen oder Änderungen der Bewirtschaftung. Ein Problem für viele Arten sind auch vermeintlich Aufwertungen von "Ödland", Straßenraine usw.: So werden z. B. Restlebensräume (gerade auch von Insekten) vernichtet, damit sich Menschen an kurzzeitiger Blütenpracht erfreuen können.
Aufforstungen statt riesiger Lichtungen. Die Waldlichtungen und damit die flächenhaften Lebensräume sind schon vernichtet. Mit weiterem Wachstum der Bäume bzw. zunehmender Beschattung verschwanden nachfolgend auch die letzten Eidechsen und Schlangen von den noch vorhandenen Säumen (bzw. aus diesem Wald).
Foto: Ina Blanke
(Innere) Waldsäume verschwinden auch durch den Wegebau, der zusätzliche Barrieren schafft. Hinzu kommt die zunehmende Verdunklung der Waldböden durch Unterpflanzungen von Schattholzarten (z. B. Buchen in lichten Kiefernwäldern).
Sommergetreide und Hackfrüchte wie Kartoffeln und Rüben sind mittlerweile lokal fast verschwunden - und damit typische Jagdgebiete in den Randbereichen dieser Kulturen. Brachen im Offenland und Waldlichtungen fehlen in vielen Landschaften ohnehin schon länger.
Aufgrund einseitiger finanzieller Förderung werden Schutzgebiete mehr und mehr beweidet, frühere vielfältige Pflege wird dadurch abgelöst. Dies ist für beweidungsempfindliche Arten wie Reptilien ein großes Problem – zu einer Zeit, wo sie eigentlich mehr denn je auf Schutzgebiete angewiesen wären.
Daher werden die Randbereiche von Verkehrswegen immer wichtiger. Umso fataler ist dann deren Ausbau oder Instandsetzung. Durch ungeeignete "Schutz"maßnahmen wird dies teilweise noch verschlimmert, auch vermeintliche Aufwertungen durch Blühmischungen tragen zum Schwund dieser Refugien bei.
Ehemaliger Zauneidechsen-Hotspot.
Beweideter Kalkmagerrasen in Niedersachsen, auch mit stark erhöhten Aufwand heute ohne Nachweise.
Foto: Ina Blanke
Vielen Menschen sind die Schutzwürdigkeit und die Harmlosigkeit von Reptilien bekannt. Gleichwohl fallen noch immer Schlangen und auch Blindschleichen gezielter Verfolgung bzw. Schlangenfurcht und -hass zum Opfer. Schon der Verlust einzelner Individuen kann kleine Bestände nachhaltig schwächen bzw. gefährden. Dies gilt insbesondere dann, wenn es geschlechtsreife Weibchen trifft.
Zumindest einige Zerstörungen von Reptilienhabitaten würden vermutlich unterbleiben, wenn die Vorkommen bekannt wären. Dummerweise verraten Echsen und Schlangen ihre Anwesenheit nicht durch auffälliges Verhalten und lärmende Umtriebe. Für sie sind Strukturen, nicht aber die Anwesenheit gefährdeter Pflanzenarten entscheidend. Fatalerweise werden bestimmte Gräser, die Reptilien besonders gute Strukturen bieten, in der Landschaftspflege oft gezielt bekämpft. Um diesen Zielkonflikt bekannter zu machen, gibt es hier
meine Seite zu "Reptiliengräsern"
.
Das Fehlen von schutzwürdiger Vegetation oder von seltenen Biotoptypen ist daher kein Indiz für die Abwesenheit von Reptilien. Aber auch bei gezielter Nachsuche werden diese aufgrund der kurzen Aktivitätszeiten und ihrer perfekten Tarnung meist nur dann gefunden, wenn die Suchenden ganz genau wissen, wann und wo sie schauen müssen. Entsprechend häufig werden daher selbst bedeutende Reptilienbestände im Vorfeld von Eingriffen übersehen.
Kartieranleitungen und Bewertungsschemata sollten hier eigentlich Hilfestellung bieten. Doch diese empfehlen oft Witterungsbedingungen, bei denen die Sichtungschancen besonders gering sind. So sind Nattern auffällig häufig bei Regen zu finden - trotzdem steht in fast jeder Vorgabe "nicht bei Regen". Auch sind die empfohlen Temperaturen meist deutlich zu hoch (und Reptilien dann in der Vegetation verborgen oder gar im Hitzeschlaf).
Durch dieses Übersehen fallen dann der Umbruch von Säumen und Grünland, die Bekämpfung unerwünschter Pflanzenarten, Gewässerbegradigungen, der Bau von Wochenendhäuschen und Radwegen sowie die Aufforstung von Äckern an und in Wäldern etc. noch leichter. Entsprechend wundert es nicht, dass selbst die vermeintlich noch häufigen Reptilienarten mittlerweile auf den Roten Listen zu finden sind.
Offen liegende Schlingnatter - so gut sind die Tiere insbesondere bei leichtem Regen zu sehen.
Foto: Ina Blanke
Rote Listen
Rote Listen kategorisieren den Gefährdungsgrad von Arten und Lebensräumen in einem bestimmten Raum und zeitlichen Rahmen. Reptilien stellen die am stärksten gefährdete Wirbeltiergruppe in Deutschland dar (vgl.
https://www.bfn.de/fileadmin/_processed_/csm_Auswertung_Abb2_716bb99068.jpg).
Dieser hohe Gefährdungsgrad zeigt sich auch in der aktuellen Roten Liste (ROTE-LISTE-GREMIUM AMPHIBIEN UND REPTILIEN 2020): Bundesweit gilt von insgesamt 13 heimischen Reptilienarten(komplexen) nur die Westliche Blindschleiche (
Anguis fragilis)
als nicht gefährdet, 3 weitere werden auf der Vorwarnliste geführt (Waldeidechse
Zootoca vivipara,
Zauneidechse
Lacerta agilis
und Mauereidechse
Podarcis muralis
).
Hingegen gelten 4 Arten als vom Aussterben bedroht (Europäische Sumpfschildkröte
Emys orbicularis
, Östliche Smaragdeidechse
Lacerta viridis
, Würfelnatter
Natrix tessellata
und Aspisviper
Vipera aspis
).
Aufgrund der Bestandstrends und der aktuellen Situation müsste auch die Kreuzotter als vom Aussterben bedroht eingestuft werden; da es aber stabile Teilbestände gibt, verbleibt sie in der Kategorie stark gefährdet. Neben der Kreuzotter (als Sonderfall, s. o.) gelten auch Äskulapnatter (Zamenis longissimus) und Westliche Smaragdeidechse (Lacerta bilineata ) als stark gefährdet. Als gefährdet sind Schlingnatter( Coronella austriaca ) und Ringelnatter (Natrix [Superspezies natrix]) eingestuft.
Informationen zur Gefährdung in den Bundesländern und im benachbarten Ausland sind zu finden unter
http://www.amphibienschutz.de/schutz/artenschutz/roteliste.htm
Echter Reptilienschutz – braucht Zeit und ist häufig zu billig
Im Reptilienschutz gibt es zwei große Probleme: Die benötigten Strukturen (z. B. Altgrasfilze und Gangsysteme von Kleinsäugern) und die Populationen ihrer Beutetiere benötigen Entwicklungszeiten von etlichen Jahren bis Jahrzehnten.
Da sehr viele Projekte, die Reptilien gefährden (und andere Bauprojekte in Deutschland lange Vorläufe haben, sollte das oftmals kein Problem sein. Zudem wird vielfach behauptet, gefährdete Arten wären "plötzlich" (selbst in Lebensräumen, die wahrscheinlich schon seit ein paar hundert Jahren besiedelt sind) aufgetaucht und würden Bauprojekte nun verzögern.
Mit solchen Schuldzuweisungen an Tiere werden typischerweise Planungsfehler kaschiert, bei denen erwartbare oder bekannte Vorkommen nicht berücksichtigt wurden – oder auf mögliche Eingriffsvermeidungen und/oder auf die Prüfung von Alternativen und der Zulässigkeit der Projekte verzichtet wurde.
Schonende Alternativen sind aber in Niedersachsen sehr häufig gegeben – denn hier sind die vermeintlichen „Baustopper“ wie Zauneidechsen nur sehr lückig verbreitet, auch die einst häufigen Arten sind vielfach aus den Landschaften verschwunden.
Durch relativ kleine Änderungen der Planungen können Beeinträchtigungen daher oft gut vermieden werden.
Doch das wird häufig nicht einmal versucht – obwohl eine wesentliche Bestimmung im Naturschutzrecht genau das verlangt: „Der Verursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen“ (§ 15 [1] BNatSchG).
Von solchen Verzichten bzw. dem Erhalt der Lebensräume würden nicht nur die Reptilien profitieren, sondern ihre gesamte Lebensgemeinschaften.
Klassiker im Planungsalltag sind dabei Reduzierungen des Flächenverbrauchs, andere Positionierung von Parkplätzen und andere Anordnungen der geplanten Elemente (Hallen, Parkplätze, Rückhaltebecken) zur Vermeidung von Schattenwurf.
In frühen Planungsstadien ist all das oft gut möglich. Auch bei tödlichen Fallen (z. B. in Entwässerungsanlagen) ist deren Vermeidung besser als ihre Entschärfung.
Erhaltung durch geänderte Planungen bzw. "Verriesigung eines Lebensraums.
Eine isolierte Population von Zauneidechsen konnte durch Änderungen der Planungen vor Ort bleiben - zudem wurde der ursprüngliche Lebensraum (Gehölze, Raine und ein kleiner Bodenabbau) stark vergrößert. Mit dem Fortschreiten (der absichtlich gestaffelten) Vegetationsentwicklung rücken die Echsen immer weiter vor.
Die offensandigen Bereiche werden dagegen wie gewünscht zunächst von Pionierarten besiedelt.
Foto: Ina Blanke
Doch Vermeidung durch Planung wird kaum gemacht. Grund hierfür dürfte einerseits sein, dass dies insbesondere Fachwissen, Nachdenken und Kommunikation erfordert - und solche Änderungen vor allem in frühen Planungsstadien möglich sind.
Entsprechende Vorschläge sind oft unerwünscht. Sie bzw. der Aufwand dafür werden i. d. R. nicht bezahlt (trotz u. U. hoher Einsparungen, die so erzielt werden könnten) - manche Auftraggeber wollen sogar vereinbarte Honorare einbehalten, wenn missliebige Aussagen gemacht werden.
Zudem sind Eingriffsvermeidungen und/oder Einsparungen in der Regel für die Fachgutachter selbst und ihre Branche finanziell nachteilig: Denn echte Eingriffsvermeidung verringert die nötigen Kompensationsmaßnahmen, die Höhe der Planungskosten bestimmt aber typischerweise die Höhe der Honorare (bzw. die sog. Honorarzone).
Aber auch bei Abrechnung nach Aufwand lohnt sich echte Vermeidung kaum bzw. ist finanziell nachteilig - denn Vorbeugen geht viel, viel schneller als Reparieren.
Vermeintliche Schutzmaßnahmen (die Eingriffe zudem erst ermöglichen) gelten mittlerweile als wesentlicher Grund für den bundesweit starken Rückgang der Zauneidechse (https://www.rote-liste-zentrum.de/files/NaBiV_170_3_1_RL_Reptilien_2020_20210317-1609.pdf).
Oftmals handelt es sich bei ihnen um Bausteine, die ergänzend (!) zu weitest gehender (!) Eingriffsvermeidung sinnvoll sein können. Sehr häufig werden sie stattdessen zum Nachteil von Reptilien und anderen Arten eingesetzt.
Hinzu kommen Habitatverluste durch andere Kompensationsmaßnahmen wie Aufforstungen oder solche zur Schaffung hochwertiger Vegetation statt der für Reptilien typischen Vegetation, vgl. z. B.
reptilien-brauchen-freunde.de/reptiliengraeser-und-mehr
Exkurs - Blühmischungen und nutzlose Hotels
Das etwas ständig gemacht wird, bedeutet nicht, dass es gut ist. Manchmal ist es nicht einmal gut gemeint (z. B. illegale Müllentsorgung sowie PR- oder Marketingtricks).
Typische Beispiele sind vermeintliche Wildblumenmischungen ohne Deklaration der Inhalte. Sie können irgendwelche Saatgut-Reste und unter Umständen sogar "insektenfeindliche Mischungen" enthalten.
Auf Äckern und in Gärten fallen dabei regelmäßig besonders schön blühende Arten auf, die konkurrenzstärker als heimische Pflanzen sind. Nicht nur die so u. U. verdrängten Pflanzen, sondern insbesondere auch für auf bestimmte Pflanzenarten angewiesene Insekten können so weiter gefährdet werden.
Viele Mischungen brauchen zudem eine regelmäßige Neueinsaat und vorherige Bodenbearbeitung, auch das gefährdet Arten mit längeren Entwicklungszeiten. Um vielen Tieren zumindest etwas zu helfen ( - würden Samentütchen reichen, wäre es keine Insektenkrise .... -), braucht es unter anderem auch ausdauernde (nicht nur ein- oder zweijährige) Pflanzenarten, verschiedende Blütenfarben, Blüten über möglichst lange Zeit und vieles mehr - wichtig ist auch, dass sowohl im Sommer als auch im Winter ein Teil der Pflanzen stehen bleiben darf.
Regional angepasst sind z. B. die Mischungen vom Insektenbündnis Hannover, dieses gibt auch Hinweise zur Pflege. Entsprechende Inititativen gibt es in etlichen Städten und Regionen, das Saatgut wird dabei oft kostenlos abgegeben. Hintergründe finden sich z. B. hier Insektenschutz im öffentlichen Grün (Link zum BUND).
Bei deklariertem Saatgut mit klaren Herkunfts- und Inhaltsangaben weiß man immerhin, was man aussäht. Dieses ist zum Beispiel in Bioläden und manchen Gartencentern erhältlich.
Oft schlecht gemacht und daher nutzlos bis schädlich sind auch sog. Insektenhotels. Das gilt nicht nur für die typische Baumarkt-Deko, sondern auch für die aufwendig und eigens gebauten Hotels. Hintergründe hierzu z. B. hier https://www.bund-niedersachsen.de/service/publikationen/detail/publication/gefaehrdete-wildbienen-nisthilfen-bauen-und-lebensraeume-schaffen-7-auflage/ sowie hier https://www.nabu-weserbergland.de/naturschutztipps/insekten/insektenhotels/ oder hier https://www.wildbienen.info/artenschutz/untaugliche_nisthilfen_A.php.
Zugig und mit "Flügelabreißer-Bohrlöchern" sowie vielen nutzlosen Elementen - sogenanntes Insektenhotel.
Dieses hier ist zudem in die Haupt-Windrichtung statt nach Süden ausgerichtet. Foto: Ina Blanke
Natürliche Insektenbrutwand an einem Waldrand.
Foto: Ina Blanke
Reptilien-Schutzmaßnahmen, die oft keine sind
Vermeintliche "Schutzmaßnahmen" die Eingriffe möglich machen sollen oder sogar anstelle wirksamer Maßnahmen durchgeführt werden, sind das Absammeln/Abfangen (Umsiedlungen) und das Aufstellen von sog. „Reptilienschutzzäunen“ bzw. Reptilienzäunen. Beide Maßnahmen sind für Planer und Umweltbaubegleiter lukrativ - und für Tiere nicht selten fatal.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hielt sie 2011 im sogenannten Freiberg-Urteil für +/- wichtig für den Schutz von Zauneidechsen. Dabei lagen verständliche Annahmen des Gereichts zugrunde - die aber leider aufgrund der "eigenartigen" Biologie der Zauneidechse so nicht zutreffen. Was in Fachkreisen (z. B. durch Publikationen und eigene Beobachtungen) bekannt sein sollte.
Während Abfang und Zäune ständig zum Einsatz kommen, werden die für die Artenschutz extrem wichtigen Teile des Freiberg-Urteils regelmäßig missachtet. Dieses besagt u. a. das trotz Fang und Umsiedlung Zauneidechsen getötet werden und daher trotzdem eine artenschutzrechtliche Ausnahme notwendig ist.
Diese ist jedoch nur für echte Ausnahmefälle vorgesehen, die rechtlichen Hürden sind sehr hoch. So müssen für artenschutzrechtliche Ausnahmen gemäß § 45 BNatSchG bei streng geschützten Arten (Zauneidechse, Schlinagnatter u. a.) trifftige Gründe (i. d. R. zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses) vorliegen und zumutbare Alternativen fehlen (z. B. andere Trassenführungen), zudem darf sich der Erhaltungszustand nicht verschlechtern und weiterreichende Regelungen der FFH-Richtlinie müssen beachtet werden.
Im Freiberg-Urteil hat das Gericht betont, dass eine Ausnahme nur infrage kommt, wenn zuvor die Eingriffsregelung sauber abgearbeitet wurden, Eingriffe also weitestgehend vermieden und ansonsten bilanziert und kompensiert werden. Das gilt auch für "normale" Arten (nicht streng geschützte Arten) , Biotope usw.
Selbst bei den Zielarten von Umsiedlungen werden fachliche Standards in der Planung i. d. R. nicht beachtet (z. B. Kombination für verschiedener Fangmethoden für unterschiedliche Witterung, lange - möglichst mehrjährige - Fangzeiträume, gut geeignete Zielflächen etc.) - noch fragwürdiger ist dann oft die praktische Umsetzung.
So ist die Zauneidechse eine gut zu beobachtende Reptilienart - aber auch in intensiven Studien (z. B. Dissertationen) wird die Mehrzahl der bekannten Individuen nur einmal gesehen, der Anteil der niemals gesehenen Tiere ist unbekannt. Gründe hierfür sind u. a. kurze Zeitfenster für Beobachtungen, perfekte Tarnung, Aufenthalt in nicht einsehbaren oder zugänglichen Bereichen (zum Beispiel in Brombeergebüschen).
Besonders schwer zu erfassen ist die Schlingnatter - auch weil sie oft unterirdisch nach Mäusen jagt. Nicht nur einzelne Tiere, sondern ganze (Teil-) Populationen können nicht in jedem Jahr nachgewiesen werden!
In flächigen Habitaten wie den typischen Wald-Offenland-Mosaike oder in Mooren stellt sich daher die Frage, wieviele Jahre "abgesammelt" werden soll - aufgrund der Fortpflanzungsbiologie und Erfassbarkeit wären es sicher mehrere.
Und noch mehr als bei Eidechsen stellt sich dann die Frage "wohin mit den Tieren" (wenn sie überleben sollen). Denn Schlingnattern fressen vorzugsweise Eidechsen - gerade auch die streng geschützten Zauneidechsen!
Unter Missachtung von Biologie und Wissenschaft, Rechtsprechung usw. werden unwirksame "Schutz"maßnahmen zum Regelfall. So werden in sog. speziellen artenschutzrechtlichen Prüfungen (saP) die negativen Folgen (die Verbotseintritte) jedoch oft abgestritten und so die Ausnahmeprüfung ganz vermieden. Wenn sich Bauprojekte dann um Jahre verzögern oder ganz scheitern, lautet die Schlagzeile dann regelmäßg "Zauneidechse verhindert xy". Das kann aber nur passieren, wenn zuvor geltendes Recht und die Biologie von Arten missachtet wurden. Die Schlagzeile sollte daher eigentlich lauten "Fehlplanung verhindert xy"!
Oft werden diese lange Zeit verfolgt, obwohl schonende Alternativen (oder rechtliche Hürden) offensichtlich sind:
Eine typische Behauptung bei Bauprojekten ist dabei, dass durch Umsiedlung und/oder Reptilienzaun die Risiken auf das normale Maß reduziert werden. Obwohl seit langem bekannt ist, dass sehr viele Umsiedlungen (von Reptilien weltweit und von Zauneidechsen in Deutschland) komplett scheitern und ohnehin sehr viele Tiere im Baufeld zurückbleiben.
Das passiert nicht zuletzt, weil für die meisten Projekte gar keine Ausnahme erteilt werden dürfte (oder dafür weitreichende Änderungen der Planungen und/oder viel Fläche und Zeit für wirksame Kompensationsmaßnahmen nötig wären) und Anbieter von vermeintlichen Baufeldfreimachungen daher gerne gebucht werden.
Selbst bei Umsiedlungen, die sich über eine gesamte Saison erstreckten bleibt ein hoher Anteil der Reptilien vor Ort. Tage, an denen trotz geeigneter Witterung nichts gefangen wird, sind dabei typisch. Bei seriösen Umsiedlungen wird trotzdem ein Vielfaches der kartierten Bestände gefangen. Durch den Stress, aber häufig auch durch ungeeignete Zielgebiete (z. B. schon durch Artgenossen besetzt oder ohne ausreichende Nahrungsgrundlage und Deckung), ist ist die Sterblichkeit der umgesiedelten Tiere erhöht.
Wenn keine Lebensräume neu geschaffen werden, sondern die Tiere "irgendwo" oder in bestehende Bestände gesetzt werden, wird auch die Gesamtzahl der Lebensräume und Populationen reduziert.
Für die Zauneidechse heißt es daher in der
Roten Liste Deutschlands:
"Entscheidend für den Erhalt bestehender Populationen und ihrer Lebensräume ist die konsequente Anwendung des geltenden Artenschutzrechtes".
Oben: Zauneidechse an typischen Fundort, der Eingang zum Bau findet sich im Moosmolster nahe der Fahrbahn. Der Waldrand als typisches Jagdgebiet liegt wenig entfernt (Bild unten).
Typische Reptilienzäune trennen solche wichtigen Teilhabitate und entwerten Sonnenplätze. Zudem hindern sie Tiere (Reptilien bei Baumaßmaßnahmen, wandernde Amphibien, Igel usw.) gefährliche Bereiche zu verlassen.
Fotos: Ina Blanke
Schutzzäune ?
Zäune, die Tiere an ihren Wanderungen hindern, können sehr sinnvoll sein. Das wohl beste Beispiel ist eine Wanderoute von Nattern, die durch ein Tigergehege in einem Zoo führte. Sehr zur Freude der Tiger!
Auch sog. Kollisionsschwerpunkte sollten entschärft werden, um Tötungen zu verhindern.
Es ist aber kein Schutz, wenn Tiere zwar nicht mehr überfahren werden, sondern unbemerkt zugrunde gehen.
Um dies zu verhindern und lebensnotwendige Querungen zu erlauben, müssen Barrieren mit Querungsmöglichkeiten versehen werden - diese zu schaffen ist bei Reptilien aber noch schwieriger als bei anderen Arten.
Kleine Ortswechsel (z. B. zwischen sonnigen Rainen und angrenzenden Wäldern - siehe Fotos oben) und saisonale Wanderungen (z. B. zwischen Flussaue und höher gelegenen Bereichen = zwischen Sommerlebensraum und Winterquartier oder zur Eiablage) sind
für viele Arten typisch. Und in unserer stark fragmentierten Landschaft sind sie oft tödlich.
Erfrischend ehrlich: An der Eidechsenseite wurde kein Zaun aufgebaut. Denn dieser soll gemäß Beschilderung Menschen am Betreten der Baustelle (und damit an Sichtungen geschützter Arten) hindern.
Fotos: Ina Blanke und Britta Schleupner.
Besonders bekannt ist der Straßentod von Amphibien, weitere Barrieren wie Bordsteine - oder Folienzäune - verlängern den Aufenthalt von Tieren im Gefahrenbereich. Das Risiko für Verkehrstod und Vertrocknen und steigt so (denn viele Tiere queren Straßen).
Viele Fressfeinde (z. B. Wildschwein, Waschbär) suchen entlang der Zäune nach leichter Beute. Auch Menschen nutzen Zäune von Fang von Tieren - nur heißen sie dann nicht Schutzzäune, sondern Fangzäune. Von diesen zusätzlichen Barrieren und der Trennung von wichtigen Teil-Lebensräumen sind nicht nur die vermeintlichen Zielenarten, sondern sehr viele Tierarten betroffen (beispielsweise Blindschleichen und Käfer).
Schon von daher sind die fast schon standardmäßig an Baustellen zu sehenden, vermeintlichen Reptilien-Schutzzäune sehr fragwürdig. Die praktische Umsetzung zeigt dann oft, dass das angeblich gewünschte Aussperren von Tieren in Baufeldern gar nicht ernsthaft versucht wird (und oft auch unmöglich ist): Denn durch offene Zufahrten für Baufahrzeuge oder Wegeeinmündungen sind die Bereiche oft ohnehin teilweise zugänglich. Die Zäune behindern dann aber das Verlassen von Gefahrenbereichen. Auch wenn sie - wie oft - sehr schlampig aufgebaut und nicht freigemäht werden.
Nicht selten haben Zäune ohnehin den gegenteiligen Effekt: Sie sperren Tiere in ihren angestammten (Teil-) Lebensräumen ein (auch bei späteren Bauarbeiten) oder trennen lebensnotwendige Teilflächen.
Teilweise geht die Einzäunung mit dem Brachfallen von Äckern einher - so werden Arten möglichweise erst in künftige Baufelder gelockt.
Für Kleintiere frei zügängliche, steilwandige Baugrube bzw. Todesfalle und ein daneben am Rand des Wanderkorridors (Feldweg) aufgebauter "Schutzzaun". Dieser erschwert das Verlassen von Gefahrenbereichen beiderseits des Zauns (Acker, Baustraße/Feldweg).
Rings um die Baugrube wäre ein gut aufgebauter Zaun dagegen sehr wichtig gewesen, unter anderem um das Ertrinken von Tieren (Mäuse, Molche), die auf dem Wirtschaftsweg wandern und in Trockenzeiten u. U. direkt angelockt werden (z. B. Eidechsen, Kröten), zu verhindern. Fotos: Ina Blanke
Auch schlampig aufgebaute und nicht unterhaltene "Schutzzäune" (wie hier bzw. wie üblich) sind Wanderhindernisse für Kleintiere.
Von ihnen dürften - neben Menschen - insbesondere Beutegreifer profitieren. Dieser Zaun stand über Monate - Baustellenverkehr wurde im gesamten Zeitraum nicht ein einziges Mal gesehen. Ein kurzzeitiger, geringer Eingriff (Austausch eines Strommasten) steht hier u. a. Behinderungen täglicher Ortswechsel von verschiedenen Tierarten (auch von Rehen etc. durch hohe Drahtzäune) sowie der Wanderung von Amphibien ins Winterquartier entgegen. Da der Zaun nur an einer Seite und gegenüber der (ungesicherten) Zufahrt steht, wird ggf. sogar die Flucht vor Baufahrzeugen behindert.
Foto: Ina Blanke.
Verwendete und weiterführende Literatur
BLANKE, I. & H. FEARNLEY (2015): The Sand Lizard – between light and shadow. - Laurenti, Bielefeld.
BLANKE, I., M. WARTLICK, B. SCHLEUPNER & D. MERTENS (2024): Erfolgreiche Reptilienerfassungen - Warten auf Sommerregen und andere Hinweise. - Naturschutz und Landschaftsplanung 56: 24-31.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT (BVerwG 2011): Urteil vom 14.7.2011 - BVerwG 9 A 12.10.
EUROPÄISCHE KOMMISSION (2021): Leitfaden zum strengen Schutz für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie. C (2021) final.
GERMANO, J. M. & P. J. BISHOP (2008): Suitability of Amphibians and Reptiles for Translocation. - Conservation Biology 23 (1): 7-15.
GERMANO, J. M., K. J. FIELD, R. A. GRIFFITHS, S. CLULOW, J. FOSTER, G. HARDING & R. R. SWAISGOOD (2015): Mitigation-driven translocations: are we moving wildlife in the right direction? - Frontiers in Ecology and the Environment 2015; doi:10.1890/140137.
KLUGE, E., I. BLANKE, H. LAUFER & N. SCHNEEWEISS (2013): Die Zauneidechse und der gesetzliche Artenschutz – Vermeidungsmaßnahmen, die keine sind - Naturschutz und Landschaftsplanung, 45: 287-292,
https://www.nul-online.de/
ROTE-LISTE-GREMIUM AMPHIBIEN UND REPTILIEN (2020): Rote Liste und Gesamtartenliste der Reptilien (Reptilia) Deutschlands. - Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (3): 64 S.
https://www.rote-liste-zentrum.de/files/NaBiV_170_3_1_RL_Reptilien_2020_20210317-1609.pdf
Gebrannte Ziegel oder Fachwerk aus Lehm und Holz.
Ganz typisch für weite Teile Niedersachsens.
Ihre Verwendung gerade auch bei Kirchen zeigt typischerweise das Fehlen von hochwertigeren Steinen im Umfeld an.
Auch in solchen Landschaften benötigen Reptilien Altgras, Beutetiere und vieles mehr plus minus "Lebendiges" - und keine Steinhaufen und andere Möblierungen der Landschaft.
Foto: Ina Blanke